Weidegang

Bildquelle: Christiane Slawik

Weidegang ist nicht nur Auslauf für Pferde. Die Umstellung von Heu auf frisches (junges) Gras bedeutet für den Verdauungstrakt eine erhebliche Umstellung. Um Verdauungsbeschwerden wie Kotwasser, Durchfall, im schlimmsten Fall Koliken und auch angelaufene Beine sowie Hufrehe zu vermeiden, sollten Pferde vorsichtig angeweidet werden.

Gras ist außerdem eine gute Energie- und Proteinquelle. Frisst ein Pferd zusätzlich zu seinem Grundfutter Gras und wird nicht mehr bewegt als ohne Weidegang, wird es zwangsläufig zunehmen. Daher sollte die Fütterung bei Weidegang angepasst werden.

Wieso Anweiden?

Mit jeder Futterumstellung ändert sich die Darmflora (Bakterien und weitere Mikroorganismen), Teile sterben ab, andere Keime vermehren sich in Abhängigkeit vom aufgenommenen Futter. Heu ist zwar getrocknetes Gras, aber schon ein Griff mit der Hand zeigt erhebliche Unterschiede zwischen dem langen Gras bei der Heuernte zum jungen weichen Gras im Wachstum.

Junges Gras ist proteinreich und das Endprodukt des Proteinabbaus im Körper ist Ammoniak (das von der Leber in den ungiftigen Harnstoff überführt werden muss). Ammoniak lässt den pH-Wert im Dickdarm ansteigen und ändert damit die Lebensbedingungen für die Darmflora massiv. Junges Gras ist zudem auch sehr zuckerreich (sowohl an im Dünndarm verdaulichen Zuckern wie auch an im Dickdarm fermentierbarem Fruktan), d. h. die Darmflora wird beim Übergang von reiner Stallfütterung auf Gras von zwei Seiten in die Zange genommen: Es ändert sich der pH-Wert und damit das Umgebungsmilieu für die Keime, zudem kommt es auch zu einer größeren Floraumschichtung aufgrund des nur im Dickdarm abbaubaren Fruktans.

Als „Sahnehäubchen“ sozusagen kommt dann noch die Strukturänderung vom groben Heu auf das weiche Frühjahrsgras dazu, was die Menge an verdaulicher Rohfaser für den Dickdarm deutlich erhöht. Jede zu schnelle Änderung der Darmflora birgt das Risiko für Verdauungsbeschwerden (wie z. B. Kolik, Kotwasser, Blähungen, Durchfall) und hat durch die veränderten Zuckergehalte Einfluss auf den Zucker- und Insulinstoffwechsel, was für prädisponierte Pferde (z. B. Ponys mit Übergewicht) zu einer Hufrehe führen kann.

Regeln für das Anweiden:

  1. Beginnen mit zehnminütigem Weidegang (evtl. nur Grasen an der Hand) für eine Woche.
  2. Danach kann die Weidezeit beispielsweise in der ersten Woche jeden Tag um 5 Minuten, in der zweiten Woche jeden Tag um 10 Minuten und in der dritten Woche jeden Tag um 20 Minuten gesteigert werden.
  3. Weidezeiten über einen Zeitraum von 3–4 Wochen schrittweise verlängern, bis ganztägiger Weidegang erfolgen kann.
  4. Damit wäre man nach vier Wochen bei viereinhalb Stunden Koppel und 25 kg Gras für ein Großpferd angelangt.
  5. Pferde, die angeweidet waren, aber aus verschiedensten Gründen über einen längeren Zeitraum für Tage oder gar Wochen nicht mehr auf der Weide waren, müssen erneut angeweidet werden.
  6. Immer gilt – Pferde satt auf die Weide schicken, d. h. vor Weidegang mindestens eine Stunde Zeit zur Heuaufnahme geben und möglichst Kraftfutter füttern bzw. erst nach Heufütterung.
  7. Bei bekanntermaßen empfindlichen Pferden (z. B. Kotwasser, Kolik in der Vergangenheit) kann Magnozym® die Physiologie des Dickdarms unterstützen.
  8. In der An- und Abweidephase sollte bei empfindlichen Pferden auch der wetterabhängige Fruktangehalt im Gras Beachtung finden (siehe Abschnitt „Fruktan“).
  9. Über die gesamte Weidezeit den Kot kontrollieren. Bei zu weichem Kot, Geruchsauffälligkeiten, Auftreten von Kotwasser Weidezeit zunächst reduzieren und mit Magnozym® die Physiologie des Dickdarms unterstützen, bei Durchfall Zugang zum Gras eventuell ganz unterbinden und langsamer anweiden.

Fruktan

Was ist eigentlich Fruktan? Ganz einfach eine Zuckerart. Jeder kennt z. B. Glucose (Traubenzucker), Saccharose (Rohrzucker und unser Haushaltszucker), Fructose (Fruchtzucker). Weniger bekannt sind die Speicherformen von Zucker: Gräser wandeln überschüssige Energie in ihre eigene Speicherform von Zucker um: in Fruktan (Fructosan). Wie viel Fruktan gebildet wird, bestimmt die Art der Gräser, die Umgebungstemperatur und die Sonneneinstrahlung.

Gräserarten wie Wiesenschwingel und insbesondere deutsches Weidelgras bilden viel Fruktan, der Wiesenfuchsschwanz und der Rotschwingel dagegen wenig. Nun ist nicht jeder Pferdehalter Botaniker und kann somit problemlos die prozentuale Verteilung der Gräserarten auf seiner Pferdeweide bestimmen (und kaum jemand hat zudem die Möglichkeit, die Weiden umzubrechen und neu anzusäen) und in der Praxis ist es auch für die meisten von uns schwer möglich, die Pferde nur noch strikt nach Thermometer und Sonnenlicht auf die Weide zu lassen.

Für darmempfindliche und rehegefährdete Pferde sollte aber zumindest bei extrem hohen Fruktanwerten über die Länge und den Zeitpunkt des Weidegangs nachgedacht werden.

Am gefährlichsten sind sonnige Tage nach kalten Nächten sowie trockene Phasen im Frühjahr und Sommer. Im April/Mai sind die Fruktangehalte am höchsten, sinken dann bis Juli ab, um im Herbst wieder deutlich anzusteigen mit neuen Höchstwerten im Oktober und November.

Hintergrund dafür ist, dass der Speicherzucker der Pflanze, das Fruktan, nur im Wachstum abgebaut wird und das Graswachstum wiederum von der Temperatur abhängt. Bei Temperaturen unter 9 Grad ist das Wachstum eingestellt, d. h. Fruktan wird vom Gras nicht für Wachstum verbraucht und reichert sich an. Sonnige Tage und kühle Nächte lassen den Fruktangehalt in den Gräsern ansteigen. Ebenso steigt der Fruktangehalt bei Stress für die Pflanze wie starker Verbiss und Trockenheit. An sonnigen warmen Tagen steigt der Fruktangehalt im Laufe des Tages.

Auch ohne Nährstoffe kann Gras nicht wachsen. Was dem Boden an Nährstoffen entzogen wird, müssen wir ihm durch Düngung zurückgeben. Gras von ungedüngten Flächen hat einen höheren Fruktangehalt als von gedüngten. Einen geeigneten Dünger finden Sie am besten mit Hilfe eines Labors, bei dem Sie eine Bodenprobe Ihrer Weidefläche analysieren lassen. Diese Labore können Ihnen dann eine Düngeempfehlung geben.

Energie- und Proteingehalt

Gras ist für Pferde sehr schmackhaft. Dadurch sind Pferde zum Teil in der Lage, in kurzer Zeit viel Gras aufzunehmen. Gras enthält zwar 75–80 % Wasser, aber auch viel Energie und Protein.

Die gute Nachricht ist: Pferde, die auf einer ausreichend großen Weide mit mittlerem Bewuchs (> 10 cm) stehen, sind in der Regel gut mit allen essenziellen Aminosäuren versorgt.

Die mehr oder weniger gute Nachricht ist: Nimmt ein Pferd Gras zusätzlich zu seiner normalen Fütterung auf, wird es sehr wahrscheinlich zunehmen. Bei Pferden mit optimalem Ernährungszustand oder Übergewicht sollte daher unbedingt die Grundfütterung an den Weidegang angepasst werden, d. h. im Klartext, die Gesamtfuttermenge aus Rau- und Krippenfutter muss reduziert werden.

Futterabzug bei Weidegang

Wie viel Futter abgezogen werden muss, hängt von der aufgenommenen Grasmenge ab. Diese ist leider schwer zu schätzen und hängt von folgenden Faktoren ab:

  1. Zeitdauer des Weideaufenthaltes
  2. Größe der Fläche
  3. Art und Dichte des Bewuchses
  4. Jahreszeit, z. B. wächst das Gras im Mai und Juni extrem schnell, im Oktober/November nur noch gering
  5. Individuelles Fressverhalten Ihres Pferdes

Grundsätzlich muss auf den Ernährungszustand und das Leistungsniveau des Pferdes geachtet und dementsprechend Futter abgezogen werden. Im Herbst, wenn weniger Bewuchs auf der Weide ist, muss andersherum das Grundfutter wieder erhöht werden, z. B. durch Zufütterung von Heu auf der Weide. Dennoch gibt es Anhaltspunkte, wie viel Futter ungefähr abgezogen/ergänzt werden sollte, damit ein Pferd erst gar nicht zu dick bzw. zu dünn wird.

Ein Beispiel: 4 Kilogramm Gras ersetzen energetisch ungefähr 1 kg Heu oder 500 g Hafer.

Bei der Verteilung des Raufutters (= Heu oder bei langem Weidegang/leichtfuttrigen Pferden auch Stroh) sollte darauf geachtet werden, dass möglichst keine Fresspausen über 4–6 Stunden entstehen.

Anhand folgender Tabelle können Sie die Grasaufnahme Ihres Pferdes grob schätzen. Mit Hilfe der geschätzten Grasaufnahme können Sie dann errechnen, wie viel Heu oder Kraftfutter weggelassen werden kann. Tabellen 1 und 2 zeigen dazu die geschätzte Grasaufnahme pro Stunde bei entsprechend angegebener Weidezeit und dem Körpergewicht Ihres Pferdes. Tabelle 1 unterstellt eine Weide mit wenig Bewuchs (< 5 cm), mit Hilfe von Tabelle 2 können Sie die Grasaufnahme Ihres Pferdes auf reichhaltigen Weiden (> 10 cm Aufwuchs) schätzen.

Tabelle 1: Aufwuchs rund 5 cm

Gewicht Pferd1 Std.3 Std.6 Std.12 Std.24 Std.
200 kg2,7 kg2,2 kg1,7 kg1,1 kg1,1 kg
400 kg3,8 kg3,0 kg2,6 kg1,8 kg1,8 kg
600 kg4,2 kg3,5 kg3,0 kg2,5 kg2,5 kg

Tabelle 2: Aufwuchs 10 cm und mehr, guter Bewuchs

Gewicht Pferd1 Std.3 Std.6 Std.12 Std.24 Std.
200 kg4,5 kg3,6 kg3,0 kg2,5 kg1,1 kg
400 kg6,0 kg4,6 kg4,2 kg3,5 kg2,3 kg
600 kg8,0 kg5,8 kg5,2 kg4,7 kg3,5 kg

 

Und so gehen Sie zur Berechnung vor:

1. Schätzung der Grasaufnahme auf der Weide in kg

a. Auswahl der richtigen Tabelle: Tabelle 1 (wenig Bewuchs), Tabelle 2 (viel Bewuchs)

b. Ablesen der Grasaufnahme pro Stunde anhand der Weidezeit (Stunden täglich) und dem Körpergewicht Ihres Pferdes

c. Berechnung der täglichen Grasaufnahme: ergibt sich aus geschätzter Grasaufnahme pro Stunde (aus Tabelle abgelesen) multipliziert mit der täglichen Weidezeit in Stunden

2. Umrechnung der geschätzten Grasaufnahme: welcher Menge Heu entspricht die kalkulierte Grasaufnahme

3. Neue Tagesfuttermenge errechnen: von Ihrer bisherigen (Winter-)Heuration oder Haferration ziehen Sie die Menge ab, die Sie errechnet haben aus der Grasaufnahmeschätzung

Beispiel 1

Darf ein Pferd von 600 Kilogramm 3 Stunden auf eine Koppel mit über 10 cm Aufwuchs, nimmt es ungefähr 5,8 kg (Tabelle 2) x 3 (Stunden) = 17,4 kg Gras auf.

Damit das Pferd dennoch nicht zunimmt, können je nach vorheriger Grundfütterung z. B. folgende Futtermengen abgezogen werden, um die aufgenommene Grasmenge auszugleichen. Dabei unterstellen wir, dass 4 Kilogramm Gras energetisch ungefähr 1 kg Heu oder 500 g Hafer entsprechen. Daher ergeben sich für 17,4 kg Gras folgende Futtermengen, die jeweils abgezogen werden könnten:

4,4 kg Heu

oder

2,2 Kilogramm Hafer

oder

2 Kilogramm Heu und 1 Kilogramm Hafer

Beispiel 2

Darf ein Pferd von 400 Kilogramm 12 Stunden auf eine Koppel mit über 10 cm Aufwuchs, nimmt es ungefähr 3,5 kg x 12 (Stunden) = 42 kg Gras auf. Damit wäre der Energiebedarf für die meisten Pferde eigentlich bereits gedeckt.

Um kein Übergewicht zu provozieren, bedeutet das, dass unserem Beispielpferd außerhalb der Weidezeit nur noch Stroh zur Verfügung stehen sollte.

Die Entwicklung der Figur unseres Beispielpferdes muss über die Koppelsaison dennoch kritisch im Auge behalten werden.

Weidegang bei leichtfuttrigen/übergewichtigen Pferden

Für übergewichtige Pferde stellt Weidegang eine metabolische Herausforderung dar. Sie als Besitzer möchten Ihrem Pferd auf der einen Seite die Freuden des Weidegangs nicht verwehren, auf der anderen Seite ist es bei freiem Zugang zu Gras schwierig, das Gewicht des Pferdes zu halten bzw. gar unmöglich, es zu reduzieren. Besonders junges, zuckerreiches Gras stellt zusätzlich zum Übergewicht ein Risiko für das Entstehen einer Hufrehe dar. Auf jeden Fall muss die Grundfütterung an den Koppelgang angepasst und die Figur kritisch im Blick gehalten werden. Zu beachten ist, dass besonders übergewichtige Pferde teils erstaunliche Mengen Gras in kurzer Zeit fressen.

Das Hufreherisiko erhöht sich mit dem Anstieg des Zucker-, Stärke- und Fruktangehaltes von Gras. Weideaufwüchse im Jahresverlauf mit besonders hohem Fruktangehalt sind nicht optimal, teils sogar ungeeignet für die Beweidung mit empfindlichen Pferden. Wichtig zu wissen hierbei ist auch, dass über die Auswahl der Gräser, die auf der Koppel wachsen und die Düngung des Bodens, der Fruktangehalt des Aufwuchses beeinflusst wird. Zuckerreiche Gräser und ungedüngte Flächen bedeuten ein höheres Risiko für zuckerempfindliche Pferde.

Leider kann Gras mitunter ausgesprochen viel Zucker und Stärke enthalten. Besonders junges Gras ist zuckerreich, Gras mit Ähren enthält Stärke, schließlich ist Getreide auch eine Züchtung aus Gräsern. Der Zuckergehalt erhöht vor allem für Pferde mit gestörtem Insulinstoffwechsel (EMS, Cushing) das Risiko für Hufrehe, da die Verstoffwechselung zu einem unphysiologischen Anstieg des Insulins im Blut führen kann. Idealerweise speckt man Pferde bereits vor Beginn der Koppelsaison ab, damit auch der Insulinstoffwechsel physiologisch auf zuckerhaltiges Gras reagiert. Pferde, die bereits eine Hufrehe in der Vergangenheit zeigten oder an einer Störung des Insulinstoffwechsels leiden (Insulindysregulation, EMS) gehören nicht auf die Weide, da die Zucker- und Fruktan-Aufnahme bei freiem Zugang zu Gras innerhalb von 1–2 Stunden so hoch sein kann, dass das kritische Maß für den Zuckerstoffwechsel überschritten sein kann. Daher gilt auch für prädisponierte, also übergewichtige Pferde, dass der Weidegang kritisch überdacht werden sollte. Optional kann die Grasaufnahme durch kurze Weidezeiten, Vorsteckweide und/oder durch eine Fressbremse begrenzt werden. Gleichzeitig sollte der Energieverbrauch bei übergewichtigen Pferden durch körperliche Arbeit erhöht werden. Junges Gras im April/Mai sollte vermieden werden, sinnvoll ist ein Anweiden in diesen Fällen, wenn überhaupt, ab Juni.

Bei Pferden mit Cushing mindert die Gabe des Wirkstoffes Pergolid das Risiko für eine Hufrehe.

Produktempfehlungen

Magnozym®
Unterstützung der Darmsanierung und Harmonisierung der Verdauungsfunktion
Magnosorb®
Toxinbindung und Entgiftung, wenn es nötig wird
Plantazem
Nährstoffe, die unter die Haut gehen